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Guter Sex

“Carrie Bradshaw knows good sex*”, so heißt es auf dem New Yorker Bus, der Carries Kolumne “Sex and the City” bewirbt. Zu gutem wilden Sex und nicht so gutem wilden Sex habe ich bereits je einen Blogbeitrag verfasst. Das diesjährige Silvester hat mich jedoch nochmal ins Grübeln gebracht. Nach mehreren Jahren, die man „sexuell aktiv“ ist, nach einem allgemeinen ersten Mal, ein Erlebnis, das für viele Menschen zu wünschen übriggelassen hat, und nach den verschiedensten weiteren „ersten Malen“ im Schlafzimmer, die mal mehr und weniger erfüllend gewesen sind, stellt man sich irgendwann unweigerlich die Frage, was es mit „gutem Sex“ auf sich hat, den Carrie Bradshaw angeblich zu kennen scheint. Habe ich auch „guten Sex“? Und was macht diesen aus? Does Gerry Bradshaw know good sex?

Was ist überhaupt „guter Sex“?

Silvesterfeiern zu planen, beziehungsweise zu koordinieren, welche Freundesgruppen feiern und wer eine Absage am besten verkraftet, ist ein einziger Alptraum. Immer Mitte November kommt die erste Einladung zu einem Zeitpunkt, an dem man eigentlich noch die Planungen anderer Freundesgruppen abwarten wollen würde, mit denen man eigentlich lieber feiern würde. Nur alleine feiern mag man auch nicht, also ist eine Absage riskant, so kann man sich schließlich nie sicher sein, welche Zusammenkünfte letztendlich wirklich zustande kommen. Mit meiner Auswahl bin ich in diesem Jahr jedoch relativ zufrieden. Ich heiße das neue Jahr in einer recht kleinen, aber sehr feierwütigen Gruppe von Freundinnen und Freunden willkommen. Und weil offizielle Silvesterpartys eh meist überlaufen sind, halten wir uns an das, was wir in diesem Jahr endgültig gelernt haben. Wie erlebt man so oft? Das Vortrinken ist oft besser als die anschließende Party? Wir machen aus unserem Silvester ein Vortrinken für Nichts. Eine richtige Party können wir es nicht nennen, aber die Location wechseln wir auch nicht.

Unter den Gästen ist eine gute Freundin, die sich relativ frisch von ihrem langjährigen Freund getrennt hat. Für mich bedeutet das insofern eine Umgewöhnung, da ich sie tatsächlich nur als vergebene Frau kenne und es mir neu ist, wenn sie diejenige im Raum ist, die noch am ehesten darauf pocht, einen Nachtclub zu besuchen, um sich ein hookup zu organisieren. So neu mir das bei ihr ist, so verständnisvoll bin ich aber auch für die Sache, um die es ihr geht. Allzu oft hat sie den Samstagabend mit ihrem Partner auf der Couch verbracht und über Jahre die verrückten Ausgehgeschichten ihrer Freundinnen und Freunde gehört. Jetzt ist sie voller Energie, jene Erfahrungen ebenso zu machen.

Nur stand dieses Vorhaben unseren Planungen für den Silvesterabend eben diametral gegenüber. Je zunehmend klarer wurde, dass das Vortrinken wirklich nur das Vortrinken für ein Vortrinken war und je betrunkener besagte Freundin wurde, desto mehr öffnete sie sich im Gespräch. Nämlich, dass ihr 1. ihr Exfreund geschrieben hatte und die Trennung anscheinend noch kein so sauberer Schnitt gewesen ist, wie man es ihr gewünscht hätte, dass er ihr nicht nur jetzt, sondern recht häufig am fortgeschrittenen Abend Nachrichten an sie schickte. Und 2., dass sie natürlich jetzt, wenn sie Sex wolle, suchen müsse und das eine Neuerung sei, die sie so nicht kenne. Der Sex, den sie seither gehabt habe, sei nicht wirklich gut gewesen. Demgegenüber ist sie wiederum 3. im Wissen, dass in der gemeinsamen Wohnung, aus der sie demnächst ausziehen werde, jemand warte, mit dem sie ohne weitere Bemühungen guten Sex haben könne.

Als ich meine Freundin so reden hörte, da leuchtete mir sofort ein, was für einen Zwiespalt sie da beschreibt. Guten Sex zu haben, nachdem man sich getrennt hat, ist gar nicht so einfach. Verglichen mit dem, was man innerhalb einer Beziehung sexuell erreichen kann, hat man als Single häufig schließlich gar nicht mal so guten Sex. Natürlich lässt sich das nicht pauschalisieren, aber zumindest meine eigene kleine Feldforschung bei Freund*innen stützt diese These. Eine Ausnahme bilden noch am ehesten all jene sexuellen Phantasien, die auf „sich fremdsein“ basieren. Davon jedoch abgesehen, wurde der Sex innerhalb von Beziehungen meist mit den ersten paar Malen zunehmend besser. Je länger die Beziehung andauerte, umso experimentierfreudiger sind viele befreundete Paare geworden und auch jene Freund*innen, die zuerst nicht wirklich zufrieden gewesen sind, wurden es zunehmend.

Das Werbeplakat, das Carrie Bradshaws Sex and the City -Kolumne bewirbt, löst den „*“, den der Werbespruch mit dem Nachsatz „*and isn’t afraid to ask“ beinhaltet, auf. In erster Linie ist das wohl eine Referenz an Woody Allens Film Everything You Always Wanted to Know About Sex * But Were Afraid to Ask. Die gleichnamige Verfilmung eines Sexualkunde-Buchs aus den späten 60er-Jahren (in dem Homosexualität noch als Krankheit betitelt wird) besteht aus einzelnen Episoden, die sich dem Thema recht anekdotisch annähern. Carrie’s Kolumne aus der (fiktiven) Tageszeitung „New York Star“ also nicht unähnlich. Voraussetzung für ihr Schreiben ist auch, nicht schüchtern zu sein, mit ihrem Umfeld detailliert und schamlos über Sex zu plaudern. Also: „*and isn’t afraid to elaborate experiences with her friends“.

Wenn ich an guten Sex denke, denke ich auch an das Gespräch vor, nach und während dem Sex – verbale und nonverbale Kommunikation, was gefallen hat und was man lieber anders hätte und was man noch ausprobieren könnte. Vor einer Weile hatte ich darüber bereits mit meiner guten Freundin Jana gesprochen (und es schon mal in diesen Blog einfließen lassen). Wir sprachen von One Night Stands, bei denen die Männer vor allem das machten, was sie keinen Schritt weiter zu einem Höhepunkt brachte. Um daran etwas zu ändern, war für guten Sex bedeutsam, den Akt nicht einfach „über sich ergehen zu lassen“.

Ich modifiziere Carrie Bradshaws Werbespruch für mich also ein wenig: „Gerry Bradshaw knows good Sex and isn’t afraid to ask for it!“ Guten Sex haben letztlich vor allem die, die danach zu fragen wissen und sich mit schlechtem Sex nicht zufrieden geben wollen. Das soll nicht als Aufruf zu sexuellem Egoismus gewertet werden, sondern eher als Appell, sich nicht mit sexuell egoistischen Partner*innen abzufinden. Guter Sex ist gut, wenn alle Parteien auf ihre Kosten gekommen sind.

Die Freundin hatte keinen Sex. Weder mit jemand Fremdem, noch mit dem Exfreund. Für das neue Jahr ist sie jedoch voller Elan, sich in die verrückten Welten des Onlinedatings zu stürzen. Wie lange sie diesen Enthusiasmus aufrechterhält, bleibt abzuwarten – so anstrengend dieser digitale Mikrokosmos schließlich sein kann. Dem muss ich mich jetzt auch wieder neu stellen, denn ich starte Single in dieses neue Jahr. Aber die Erklärung, wie es dazu gekommen ist, verdient wieder einen ganz eigenen Blogeintrag…

 

An dieser Stelle möchte ich mich vor allem bei jenen Menschen bedanken, die diesem Blog folgen und sich immer wieder über neue Beiträge freuen, so unregelmäßig ich sie auch bewerkstellige. Ich hoffe ihr seid gut ins neue Jahr gekommen! Allen neuen Mitlesenden sei das Stöbern in den Kategorien Dating, Sex, Beziehung und Toleranz empfohlen. Über neue Beiträge kann man sich auch als Abonnement informieren – da bekommt man dann die neuen Artikel bequem via Mail. Habt eine gute Woche. 😊

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