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Wilder Sex, guter Sex?

Der anstrengenden Prüfungszeit und dem unnötigen Absturz meines Laptops geschuldet (und nein, ich möchte die Laptopsituation jetzt nicht weiter erörtern, sonst rege ich mich nur unnötig auf), habe ich es nicht geschafft, einen Text zu verfassen, der dem Anspruch genügen könnte, als besonders intellektuell herausfordernd oder übermäßig „reflektiert“ gelten zu können. Statt einem gloriosen Comeback ist nun also ein Beitrag mit eher trivialem Thema entstanden, der mit Erlebnissen von mir und meinen Freunden – eher im Stile eines Tagebucheintrags – unterfüttert wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ich beschreibe im nachfolgenden Text einen nicht ganz untypischen Freitagabend. Handlungsort ist eine Bar, Protagonist(*inn)en sind drei junge Menschen, die gut befreundet sind, als MacGuffin halten alkoholische Getränke her, die dafür sorgen, dass die Gespräche zunehmend schamloser werden. Als wir gerade dabei sind, uns gegenseitig darüber aufzuklären, wie vanilla beziehungsweise wie kinky wir drauf sind, kommen wir auf eine ganz polemische Frage:

Ist wilder Sex mit gutem Sex gleichzusetzen?

„Um Himmels Willen: Nein! Wilder Sex kann toll sein, aber wenn der Typ nicht weiß, was er da unten macht, wird es nur schlimmer, wenn er meint, einen pornstar mimen zu müssen.“ Es ist Jana, die nicht nur sofort antwortet, sondern auch sofort ein beispielhaftes Sexerlebnis mit einem Mann parat hat, den sie seither den „Rubbler“ nennt. Verbunden sieht sie das nachfolgende Phänomen mit häufiger Realitätsferne von Pornographie. „Die Typen haben doch zum Teil wirklich keine Ahnung, wie man die Frau bereits vom Vorspiel an beglücken kann. Man findet sich dann bei One-Night-Stands mit Menschen konfrontiert, die dich am ganzen Körper anfassen, immer ekstatischer werden, tun, als seien sie in irgendeinem Porno, ihre Hände langsam zum Geschlechtsteil gleiten lassen, dann plötzlich anfangen, wild daran herum zu rubbeln und dabei ‚Mmmh, ja geil‘ zu röhren. Bitte was soll das?“ Das eigentlich Schlimme daran findet sie auch, dass so viele Frauen das Gefühl haben, bestimmte Sachen über sich ergehen lassen zu müssen, ohne den Männern zu sagen, was für sie schön ist und was nicht – lediglich um ihn nicht zu verletzten; ihm nicht das Gefühl zu geben, er sei schlecht im Bett. „Und plötzlich findest du dich in der Position wieder, Typen, die bereits viele verschiedene Sexpartnerinnen hatten und mehrere Beziehungen geführt haben, total basische Sachen zu erklären. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie es manche Frauen so lange mit diesen Männern ausgehalten haben?!“

Wenn ich an schlechten wilden Sex denke, dann erinnere ich mich an Sex mit einem Mann, den ich in diesem Text den „Rammler“ nennen werde. Diesen Typus Sexpartner gibt es auch in Sex and the City. Als Carrie relativ spät in der Serie ein spontanes One Night Stand mit dem Trauzeugen von Charlottes zweitem Ehemann Harry verbringt, hat sie „jack rabbit sex (…) it’s basically masturbating with a woman instead of your hand“.  Und so ergeht es auch mir, als ich eines Abends mit jemandem im Bett lande, den ich in einem Nachtclub kennengelernt habe. Ich erfülle den sogenannten „passiven“ Part und stelle recht schnell fest, dass ich hier an eine Person geraten bin, die eigentlich am liebsten in genau einer Sexstellung monoton wild zustößt. Das verliert ziemlich schnell an Reiz, aber jedes Mal, wenn ich versuche die Stellung zu wechseln oder nachfrage, ob wir vielleicht etwas anderes ausprobieren wollen, sagt er nur: „Können wir vielleicht in der Stellung bleiben? So spüre ich am meisten.“ Also bleibe ich auf dem Bauch liegen, warte auf einen hoffentlich baldigen, befriedigenden Abschluss und denke mir nur: Ja, Carrie hatte recht: Das ist wie Masturbation mit Mensch statt Hand. Um die Sache zu beschleunigen, übe ich mich darin, viel zu stöhnen, dabei möglichst authentisch zu klingen und (mit ein bisschen Verrenkung einigermaßen machbar) meinem Bettpartner die hin und her klatschenden Eier zu kraulen (zumindest ich denke mir, dass die zusätzliche Stimulation den Prozess verschnellern könnte). Als Strafe für die Strapazen wurde betreffendes One Night Stand dann übrigens nach dem vollzogenen Akt ziemlich schnell wieder aus der Wohnung verjagt.

Zu guter Letzt gibt auch Daniel eine Anekdote preis, bei der es sich um vermeintlich wilden, aber vor allem (nach seiner Meinung) sehr schlechten Sex gehandelt hat. Seinen Sexpartner in spe traf er beim Vorglühen, organisiert von einem gemeinsamen Freund. Als es anschließend zum Clubbing auf eine „schwule“ Party gehen sollte, klebten die beiden bereits aneinander und verließen irgendwann frühzeitig das Event, um in ein Schlafzimmer zu verschwinden. Die Wohnung, in die Daniel nun geführt wurde, war seiner Erzählung nach eine ziemliche Absteige, wo vier Leute zusammenwohnten, die man teils sogar durch die Wände hören konnte. Das hielt besagtes One Night Stand nicht davon ab, Daniel nach dem Schließen der Tür aufs Bett zu werfen, sich schnell zu entkleiden und Daniel, der nicht wusste, wie ihm geschah, sein Gemächt ins Gesicht zu drücken. Aus Unverständnis darüber, wie wenig Gespür man dafür haben kann, was in einem Augenblick wirklich passend ist, drehte Daniel reflexhaft seinen Kopf zur Seite und sagte „Ähm… Nein?!“. Das One Night Stand entschuldigte sich ein wenig peinlich berührt und nutzte den Moment, als Daniel sich aufrichtete, dazu einen Versuch zu starten, mit ihm rumzuschmusen, sodass Daniel nun eine Zunge in seinem Hals hatte. Wenige Sekunden später, die die beiden nun auf eklige Weise (so bewertete es Daniel im Nachhinein) miteinander rummachten, spürte er eine Hand, die sich auf seinen Kopf legte und ihn runterdrückte. „Oida, na!“. Er sprang auf und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er die Wohnung. „Ich hoffe, ich sehe den Typen nie wieder. Und das Schlimme war – er war im Gespräch wirklich nett. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich beim Sex wirklich wie der letzte Trampl anstellen würde!“

Unser einstimmiges Zwischenfazit wäre demnach, dass wilder Sex nicht automatisch guter Sex sein muss. Dass die hier beschriebenen Erfahrungen als Beispiele für schlechten Sex empfunden wurden, liegt ja eventuell nicht einmal daran, dass jeweilig stattfindende Praktik immer pauschal schlecht wäre. Onlinedating hat mich gelehrt, dass es viel Angebot und Nachfrage für Rammler und forced blowjobs gibt, nur gibt es vielleicht manchmal Situationen in denen man von Sexpraktiken nicht überrascht werden möchte. Und manchmal reicht es nicht, das zu signalisieren, es braucht auch eine*n Sexpartner*in, die Gespür dafür hat, was im jeweiligen Moment gerade passend ist und ob überhaupt genug Chemie zwischen zwei Menschen ist, um mit Herumexperimentieren anzufangen zu können. Wäre dem so, dann kann wilder Sex etwas sehr Wundervolles sein, aber davon nächste Woche mehr.

 

 

Es liegt ein bisschen in der Ironie der Sache, dass dieser Artikel „guter Sex“ im Namen trägt und über schlechten Sex berichtet. In der nächsten Woche wird der Spieß umgedreht, wenn ich mir die Frage stelle, ob wilder Sex denn gleich schlechter Sex sein muss und glücklicherweise (so viel sei vorweggenommen) zum Ergebnis komme, dass dem nicht so ist. Wie immer vielen Dank fürs Lesen!

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, dann schau dich doch mal in der Rubrik Sex weiter um. Gays and the City ist eine (manchmal mehr, zuletzt leider weniger) wöchentliche Kolumne. Neben Sex geht es auch um Beziehung, Dating, und Toleranz in der schwulen Wiener Subkultur. Neue Artikel erscheinen (planmäßig) montags.

2 Comments

  1. Schön, wieder von dir zu lesen!
    Witzigerweise braucht spontan-wilder Sex eben auch seine Basis, kann eigentlich also nie so richtig spontan sein. Bzw. braucht man dafür einen Partner/Gegenüber, den man kennt, um aus jeder Lage ein Gelage zaubern zu können (haha!). Einfach mal drauflos ist zu risky bis unsensibel, simple as that.

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