/

In ein neues Jahr

Es ist mittlerweile ein allgemeiner Konsens, dass das Jahr 2016 kein schönes war. Vor allem wegen gesellschaftspolitischen Zuspitzungen, Todesfällen berühmter Personen, Naturkatastrophen, fortschreitenden Kriegen und Kämpfen, Anschlägen und Amokläufen, Wahlen, die anders verlaufen sind, als gedacht, sticht das vergangene Jahr heraus und unter Umständen bleibt es wohl auch wegen der Häufung negativer Schlagzeilen längerfristig in negativer Weise im kollektiven Gedächtnis.

Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich behaupten würde, dass durch genannte Ereignisse nicht auch meine eigene Wahrnehmung des Jahres beeinflusst wurde. Allerdings gab es auch genug Dinge in meinem eigenen Leben, die gerade in diesem Jahr ziemlich gut gelaufen sind. Ich habe endlich meinen Bachelor abgeschlossen – und das mit einer recht guten Durchschnittsnote. Ich habe mich in einen Master eingeschrieben und bin zuversichtlich, was meinen weiteren akademischen Weg betrifft. Es gab tolle Erfolge von Freundinnen und Freunden in ihren beruflichen Werdegängen, und sowohl bei manchen von ihnen, als auch in meinem eigenen Leben heißt es endlich: wir sind endlich an eine*n feste*n Partner*in vergeben. Das persönliche Urteil über ein Jahr definiert sich eben auch darüber, was man selber daraus gemacht hat. Zum Glück.

Um das Jahr ausklingen zu lassen bin ich mit Freundinnen und Freunden über Silvester auf einem kleinen Städtetrip. An mehr als einem Abend floss Alkohol und genau an einem solchen, an dem wir das vorige Jahr Revue passieren ließen, kamen wir im Gespräch auf folgende Frage:

Wie trifft man richtige Entscheidungen?

Dass wir eigentlich privat ein recht gutes Jahr 2016 hatten ändert ja nichts an schnell aufkommenden Zweifeln daran, wie lange privates Glück anhält. Macht mir Spaß was ich mache? Sind meine beruflichen Entscheidungen die richtigen (beziehungsweise habe ich den richtigen akademischen Weg gewählt), oder studiere ich mich in die Arbeitslosigkeit? Ist das, was ich in meiner Beziehung fühle bereits das große L-Wort, oder gibt es aus irgendwelchen Gründen sowieso keine Zukunft „uns“?

Als Kind wird es den meisten Menschen einfach gemacht. Eltern bestimmen Grenzen, legen fest was erlaubt ist und was nicht, wie der Tagesablauf geregelt wird und wie die ersten Lebensjahre gestaltet werden sollen. Man wird zwar älter und auch wenn man beginnt Entscheidungen für sich zu treffen, so gaben zumindest bei mir meine Eltern (noch weit über die Pubertät hinaus) weiter Halt und stehen weiterhin mit Rat und Tat zur Seite. Spätestens im Studium kam jedoch ein Punkt, an dem meine Mitbewohnerin und ich uns in Gespräche vertieften, in denen es darum ging, dass es nun plötzlich Momente gab, als man die eigenen Eltern gar nicht mehr nach ihren Ratschlägen fragen mochte, weil man sich davon nicht mehr eine Erleichterung bei Entscheidungen erhoffte. Ein Beispiel: Je nachdem welche Ziele man zum Beispiel akademisch oder beruflich anstrebte, so ergab sich daraus möglicherweise auch, dass die Eltern diesbezüglich auf Dauer viel schlechter informiert waren und einem allein deswegen schon nicht weiterhelfen konnten. Was Entscheidungen betrifft, so lässt sich also nicht bis in alle Ewigkeit alles auf die eigenen Eltern abwälzen.

Was also machen, wenn man nun in manchen Fragen scheinbar auf sich allein gestellt ist? In unserem Gespräch über richtige Entscheidungen herrschte vor allem darüber Einigkeit, dass man in der Regel aus dem Bauch heraus entscheiden sollte. Selbst wenn man damit auch häufiger mal daneben liegen könnte, so war das für besagte Freundinnen und Freunde laut Eigenaussage insofern nicht so schlimm, da sie fast geschlossen der Überzeugung waren, dass man meist vor allem das mehr bereue, was man nicht gemacht habe (nicht so sehr das, was man doch gemacht hat).

Schön wenn man diese Philosophie auch so leben kann – ich hingegen bin ein recht vorsichtiger Mensch, der sich mit dieser Art des Entscheidens öfters schwer tut. Meine Bedenken äußernd kamen wir dann darauf, dass das Bauchgefühl das eine ist – wenn das Bauchgefühl schon nicht stimmt, dann würde wir uns mit der Entscheidung allgemein unwohl fühlen. Das andere ist jedoch auch, dass man bestimmte Entscheidungen nur sehr ungern alleine entscheiden mag, sodass in bestimmten Fragen der Einfluss von Freund*innen wächst. Nicht um die schuld für falsch getroffene Entscheidungen outsourcen zu können, sondern (gerade was Beziehungsfragen betrifft, holt man sich bereitwillig andere Meinungen ein) um versuchsweise auch eine Außenperspektive mit bedenken zu können.

Wenn es darum geht, dass unsere Freundesgruppe sich gegenseitig Ratschläge gibt, dann müssen wir zugeben, dass wir in vielen Fragen eigentlich alle ähnlich ratlos sind. Vergleichbar in gewisser Weise mit einer Szene aus Sex and the City, in der Carrie meint sie brauche keinen Therapeuten, da sie doch mit Miranda, Charlotte und Samantha so tolle Freundinnen habe, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen. Eigentlich geben jene Therapeuten-ersetzende Freundinnen dann aber zu, dass sie genauso clueless seien wie Carrie. „It’s the blind leading the blind“. Darum geht es zum Glück meiner Meinung nach manchmal gar nicht unbedingt. Es ist auch hilfreich manche Fragen laut zu stellen und die „Pro-Contra“-Liste mitzuteilen. Bereits beim Prozess des Aussprechens wird so mancher Gedankengang als irrsinnig offenbart, ohne dass ein Freund oder eine Freundin noch intervenieren müsste.

Wenn ich mich heute auf die Rückreise in mein geliebtes Wien mache geht es also in ein neues Jahr. Natürlich wünsche ich mir weltpolitisch ein tolleres Jahr 2017, als es 2016 war. Für mein persönliches Jahr 2017 wünsche ich mir vor allem den Mut Entscheidungen zu treffen – umsichtig abzuwägen, aber nicht eingeschüchtert zu sein auch mal auf die Nase zu fallen. Ich hoffe weiterhin Freundinnen und Freunde zu haben mit denen ich alles durchsprechen kann, selbst wenn es sich bei diesem Konzept nur um „the blind leading the blind“ handeln würde. Schließlich haben es nach vielem hin und her  sogar Carrie & Mr. Big vor einen Traualtar geschafft – hat also zumindest im Fernsehen OK funktioniert. Vielleicht wird das mit dem Hollywoodende also doch noch was…

 

Hallo liebe Lesende, von nun an soll auf diesem Blog jeden Montagmittag ein neuer Beitrag meiner Kolumne rund um die Themen Beziehung, Dating und Toleranz online gehen. (*fingers crossed*) Ich freue mich über Likes auf Facebook, Follows auf Insta & Twitter, aber am meisten über Kommentare bzw. allgemein über Feedback über jedweden möglichen Kanal.

1 Comment

  1. Machen wir es uns nicht oft einfach viel zu schwer? Wir grübeln zuviel. Gleichzeitig streben wir nach der größtmöglichen Sicherheit. Und dann auch noch langfristig! In den Social Networks ist das Bildchen mit dem Sinnspruch von der hoffnungsvoll getroffenen langfristigen Entscheidung und dem im Hintergrund lachend vom Stuhl fallenden Schicksal immer einen Lacher wert – aber im Grunde nichts als die Wahrheit…

    Jede Entscheidung im Leben ist letztlich ein Münzwurf zwischen Trial & Success oder Trial & Error. Doch nur das Erste erscheint uns immer als Glückstreffer. Aber ist es das Zweite nicht ebenso? Es füllt unseren Erfahrungsschatz im Hinblick auf weitere Entscheidungen, erweitert unseren Horizont und stärkt uns für das, was da noch so alles im Leben auf uns wartet.

    Das fängt schon im zartesten Kindesalter an. Du sprichst in deinem Text von den Grenzen, die die Eltern festlegen. Was ist das erste, was wir machen? Wir treffen unsere eigene Entscheidung, diese Grenze zu überschreiten. Vielleicht haben Mama und Papa ja Blödsinn gelabert…? „Fass nicht auf die Herdplatte, Kind. Die ist heiß!“ – „AUAAAAAA!“ – „Siehste.“ Trial & Error. Beim nächsten Mal lassen wir die Finger von der Herdplatte, die Schmerzen bleiben uns erspart.

    So zieht es sich durch das ganze Leben. Der Job, der uns bei Vertragsunterschrift als genau das erschien, wovon wir geträumt haben, entpuppt sich als nicht wirklich toll. Trial & Error. Der letzte Tag der Probezeit naht. Aussteigen oder weitermachen? Trial &… – ja, was eigentlich? Das sehen wir dann, wenn’s soweit ist. Vielleicht finden wir sogar heraus, dass wir uns den völlig falschen Beruf ausgesucht haben. Wir satteln komplett um und stellen fest: Trial & Success. Aber auch *das* sehen wir erst, nachdem wir die Wahl getroffen haben und die Folgen reinkicken.

    Natürlich sollte man nicht leichtsinnig sein und jedes Sicherheitsdenken komplett ignorieren – das ist genauso fatal für das eigene Wohl wie zuviel Grübelei. Auf dem richtigen Weg ist man, denke ich, wenn man die für sich gesunde Balance zwischen überlegtem Handeln und Bauchgefühl hinbekommt.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.