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The Ex-Files

Den Vorwurf, dass ich Folgen der Serie Sex and the City etwas viel Bedeutung beimesse, lasse ich mir bereitwillig gefallen. Dass ich mir für Probleme und Fragen, die ich habe, eine passende Episode der Serie heraussuche, ist eine der Folgen dieser übermäßigen Wertschätzung.

Eine Sex and the City-Episode, die mal wieder einen Nerv bei mir getroffen hat, trägt den Titel „The Perfect Present“. Carrie betritt erstmals die Wohnung ihres Freundes Jack Berger und ist hinsichtlich seines vermeintlich vorigen Status als Junggeselle erleichtert, wie nett und stilvoll diese eingerichtet ist. Auf Nachfrage erfährt sie, dass sich Lauren für die hübsche Wandfarbe verantwortlich zeigt. Nein, nicht Ralph Lauren wie Carrie zuerst vermutet, sondern Bergers Inneneinrichterin und Exfreundin Lauren.

Und schon hat er es getan. Er hat die Ex-Files geöffnet, sodass sich die restliche Folge um eine einzige Frage dreht, die ich ebenfalls als leitende in diesem Beitrag anführe:

Was geht mich sein(e) Ex an?

Die Existenz von Nils Ex wird mir erstmals vermittelt, als ich auf einem Gruppenbild, das an seinem Kühlschrank hängt, nach den einzelnen Personen frage. So ist er in mein Leben getreten. Der junge, blonde, einen Undercut tragende Ex meines Freundes, der zwischen Nils zwei besten Freundinnen steht und in die Kamera grinst. Noch bevor mich irgendwer davon abbringen könnte, beginnt es: Ich fange an zu starren. Gibt es irgendwas, das ich in seinen Augen lesen könnte? Er ist sehr fesch. Ist er fescher als ich? Ich fange also an, mich mit jemandem zu vergleichen, den ich eigentlich gar nicht kenne. Ein Zug ist ins Rollen gekommen, den ich selbstständig so schnell nicht stoppen bringen werde können. Würde es mir also besser gehen, wenn ich von der Existenz dieses Ex gar nicht erst erfahren hätte?

Während Samantha lediglich der Meinung ist: “As long as what you get doesn’t itch, I say you’re fine”, positioniert sich Charlotte in der Sex and the City-Folge auf die Frage, ob man wirklich etwas über den(*die) Ex des(*der) neuen Partners(*Partnerin) wissen müsse, etwas geistreicher: “Carrie, you have to know where he’s been so you know what you’re getting.” Das ist natürlich ein Punkt, der nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Bei dieser Betrachtungsweise geht es gar nicht so stark um mich, der sich beginnt zu vergleichen, sondern auch darum den(*die) jetzige(n) Parter(*in) kennenzulernen. Eine Beziehung ist nichts, was man mal ausprobiert wie ein neues Hemd, schaut ob es passt und im Zweifelsfall durch ein anderes Hemd austauscht – eine ernsthafte Beziehung verändert einen. Bleibt man längere Zeit zusammen, ist es unabdingbar Kompromisse einzugehen, Lebenspläne aneinander anzupassen, miteinander zu wachsen.

Dieses Argument durchdenkend gebe also ich meinem Impuls nach, ich frage Nils wie lange er in dieser Beziehung war. Die Antwort: Circa zwei Jahre. Puh. Nochmal die Frage – wollte ich das jetzt eigentlich wirklich wissen? Zwei Jahre sind keine Ewigkeit, aber richtig viele, wirklich lange Beziehungen kenne ich nicht aus meinem direkten Umfeld und Nils und ich treffen uns erst seit knapp einem halben Jahr; die Antwort verdeutlicht mir also auch, dass die beiden sich in gewisser Weise besser gekannt haben könnten, als wir uns jetzt kennen.

Es scheint eine Zwickmühle zu sein, aus der es so schnell keinen Ausweg gibt. Wenn ich einerseits versuche, mich damit auseinanderzusetzen, was Nils in seinem Umgang mit Sexualität und Beziehung geprägt hat und andererseits die unschöne Eigenschaft habe, schnell eifersüchtig zu werden und mir in meiner blühenden Fantasie vorzustellen, wie das Liebes- und Sexleben der beiden ausgesehen haben muss – gibt es für mich eine Möglichkeit, aus diesem Dilemma auszubrechen?

Mit Jana zu reden, ist in erster Linie insofern beruhigend, da sie einem immer das Gefühl gibt, alles was man mache/denke/fühle sei nicht zwangsweise verrückt (in diesem Fall „krankhafte Eifersucht“), sondern auch ein stückweit „normal“. Man fühle eben, was man fühle und man könne dagegen auch nicht ankommen, indem man versuche, diese Gefühle zu unterdrücken, weil sie einem peinlich seien, oder weil der Kopf bereits vermeldet, dass das eigentlich natürlich alles Quatsch sei – denn: Natürlich weiß ich, dass es mich nicht weiterbringen wird, Facebook anzuwerfen, Nils Chronik bis ins Jahr 2009 akribisch durchzuschauen und jede Existenz seines Ex zu erforschen; es wird mir auch nicht helfen, mich mithilfe eines GayRomeo-Fakeprofils auf die Suche nach jenem Ex zu machen und herauszufinden, was seine sexuellen Vorlieben sind, um daraus Rückschlüsse auf das Sexleben von Nils (bevor er mich getroffen hat) zu ziehen. Das Einzige, was laut Jana als Erste-Hilfe-Tipp funktioniert, sei ihrer Meinung nach: Tief durchatmen, sich das Mantra aufzusagen: „Er ist nicht mehr mit ihm zusammen, er ist jetzt mit mir zusammen“ und wenn es tatsächlich eine Frage gebe, die einem auf dem Herzen brenne, dann solle man direkt den(*die) Partner(*in) danach fragen.

Bei Sex and the City beginnt die wirkliche Aufregung für Carrie damit, dass sie Zeugin davon wird, wie Jack Berger als Reaktion auf eine Mailbox-Nachricht seiner Ex zwei Mittelfinger zeigt. Natürlich wolle man nicht, dass der(*die) Freund(*in) noch zu sehr an (der*)dem Ex hänge, andererseits wird man sich in besagtem Falle die Frage stellen, was genau um Himmels Willen in der vorigen Beziehung vorgefallen sein mag, dass eine solche Reaktion notwendig ist. Mir Janas Ratschlag vor Augen haltend erlaube ich mir also eine Frage an Nils, von der ich mir erhoffe, dass sie die Bilder, die von Nils und seinem Ex in meinem Kopf herumspuken, erstmal verdrängen wird: Wieso habt ihr Schluss gemacht?

Nils verzieht den Mund und schaut mich direkt an. Ich versuche dem Blick sofort auszuweichen, weil ich mir dieser Frage sowieso nie sicher war. Ist das zu privat? Ist das zu unangenehm? Auf der anderen Seite: Ist es nicht genau das, was Charlotte mit ihrem Ausspruch meinte, ist es nicht Teil der Information darüber „where he’s been“? Nils lässt sich einen Moment Zeit und antwortet danach sehr zögerlich mit den Worten: „Ich glaube nicht, dass er noch mit mir zusammen sein wollte.“ Sein Blick schweift nun etwas geistesabwesend im Raum herum. „Er hatte sich gerade erst als schwul geoutet, ist sehr schnell mit mir zusammen gekommen und irgendwie habe ich irgendwann gemerkt, dass er nicht wirklich zufrieden damit war, sich sofort zu binden. Er hat das nicht gesagt, es war eher die Art wie er gegen Ende der Beziehung mit mir umgegangen ist, die mir verdeutlicht hat, dass er sehr unzufrieden mit seiner Lebenssituation war und sich eigentlich Freiraum gewünscht hat.“ Einen Moment ist es jetzt still. Es ist nicht so, dass Nils gerade besonders traurig oder verletzt dreinschaut, trotzdem gehe ich einen Schritt auf ihn zu, umarme ihn und gebe ihm einen Kuss.

Nils ist so gar nicht der Typ, der in einem cholerischen Anfall einem Exfreund den Mittelfinger zeigen würde, er ist eher ein Mensch der leisen Zwischentöne. Was er sagt und wie er es sagt, das sind die Indizien, die ich zu seinem Verhältnis mit dem Ex bekomme und unser Gespräch hat mir auf ziemlich eindrückliche Weise klar gemacht, wie es sich zwischen Nils, dem Ex und mir verhält. Er hasst seinen Ex nicht, aber er trauert ihm auch nicht hinterher. Und jetzt bin ich da und Nils findet das gut so.

Weiß ich durch das Gespräch mit Nils nun mehr über ihn? Ja. Verdrängt es all meine Gedanken an ihn und seinen Ex vollständig aus meinem Kopf? Nein, aber diese Erwartungshaltung wäre wohl generell eher unrealistisch gewesen. Wie beantworte ich also die leitende Frage, was mich also sein Ex angeht? Ach, ich weiß es doch auch nicht, pauschal lässt sich das bestimmt nicht beantworten, aber das hier ist doch eigentlich ziemlich gut ausgegangen…

 

1 Comment

  1. Wau! Ich habe Deinen Beitrag nur auf Facebook vorgeschlagen bekommen und geöffnet (was ich selten tue). Hab’s nicht bereut! Ich bin auch ein großer SATC-Fan und Dein Beitrag ist von ganz ähnlichem Humor und Eloquenz. Schon mal daran gedacht, Deine Ideen in Buchform zu veröffentlichen? GLG RaF

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