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Flugzeugflirt

Es gibt ein ziemlich ironisches Phänomen, dass ich in diesem Blog bis jetzt unerwähnt gelassen habe, dass mir aber schon vor einiger Zeit aufgefallen ist. Erstmals als ich eines Abends in einem Club zwei Mal hintereinander heftig angetanzt und angeflirtet wurde. Es kommt mir so vor, als wirke ich auf andere Menschen anziehender, seit ich in einer Beziehung bin. Damit meine ich nicht mal das Klischee, dass Menschen immer das (beziehungsweise die Person) wollen würden, was (/die) sie nicht kriegen können (in dem Fall also mich) – nein, ich meine das vor allem hinsichtlich der Frage, ob man auch etwas Bestimmtes ausstrahlt, wenn man in einer Beziehung ist. Einfach mal allgemein gefragt:

Ist man als vergebener Mann interessanter?

Einmal alle Jubeljahre steige ich in ein Flugzeug, um mich von A nach B transportieren zu lassen (jene Strecken, die sich mal ausnahmsweise nicht so gut mit Bahn machen lassen). Ich leide zwar nicht wirklich unter Flugangst, aber die Sorge von Claire Dunphy aus der Serie Modern Family, Flugzeuge seien strenggenommen quasi auch nur Hochhäuser, die von einem zum anderen Ort geworfen werden, kann ich gut nachvollziehen. Zu dieser Grundnervosität, die vom Unverständnis her rührt, inwiefern Flugzeuge es überhaupt schaffen, in der Luft zu bleiben, kommt bei mir in der Regel noch hinzu, dass ich während eines Flugs Schweiß produziere. Das hat weniger mit Angst zu tun, sondern ist vielmehr dem Fakt geschuldet ist, dass ich eine Katastrophe bin, was Kofferpacken betrifft. Da nicht alles, was ich mir vornehme, dringend mit mir führen zu müssen, in einen Koffer passt, läuft es bei mir nicht selten darauf hinaus, dass ich in mehrere Kleidungsschichten gehüllt und gezwungen bin noch diesdas als Handgepäck in Hosentaschen mitzuführen.

Der Flug, den ich also “einmal alle Jubeljahre” mache, stand nun wieder an. An besagtem Reisetag trug ich meine größten Sneakers, ein weißes Hemd (getragen verknittert es weniger, als im Koffer), darüber eine Weste, eine braune Lederjacke, einen bunten Schal und eine Sonnenbrille. Dass ich insgesamt etwas zu schrill geraten war, erblickte ich beim Verlassen meiner Wohnung. Diese Beobachtung nützte mir zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr viel, zum Umpacken war sowieso keine Zeit mehr.

Meinen Leichtsinn, mich in jenem Outfit in die Öffentlichkeit zu wagen, bereute ich spätestens dann, als ein ziemlich gutaussehender Mann im Flugzeug neben mir Platz nahm. Schwarze Schuhe, graue Socken, schwarze Hose, dunkelblaues Hemd, Sakko und ein wirklich schickes und modernes Brillengestell. Ich hoffe, ich kann seinem tollen Kleidungsstil hiermit gerecht werden, denn er (Kleidungsstil & der Mann unter der Kleidung) war(en) wirklich, wirklich sexy! Businessmann, aber irgendwie so gar nicht aufgesetzt und mit einem Hauch von légère.

Der Flieger startete und noch bevor ich, wie eigentlich geplant, Kopfhörer in meinen Ohren hatte, war ich auch schon in ein Gespräch mit Herrn sexy-Sitznachbar verwickelt. Er machte augenzwinkernd Witze über einen Flugbegleiter, der etwas danach aussah, als sei er vor wenigen Minuten schlaftrunken aus dem Bett gefallen; danach beredeten wir, was wir in Wien machen und wo wir gerade hinfliegen. Natürlich entstanden immer mal wieder Pausen, in denen man im Bordmagazin blätterte und sich dabei fragte, ob das Gespräch bereits beendet wäre und die Kopfhörer doch noch zum Einsatz kämen.

Was ich bis zu diesem Punkt bereits erfahren hatte: Mr. Business-casual arbeitet bei der WU und hat dort zuvor sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterstudiengang absolviert. Er ist manchmal geschäftlich unterwegs, selten übermäßig international, häufiger jedoch u.a. in Frankfurt und London. Außerdem lacht er viel und hat ein absolutes Haifischgrinsen. Und ich weiß, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, wie es mir nicht allzu oft passiert.

All das machte es umso schlimmer, als er völlig unerwartet auf ein Accessoire zu sprechen kam, zu dem ich im letzten Moment vor dem Verlassen der Wohnung gegriffen hatte. Eine der eben beschriebenen Momente kurzer, etwas unangenehmer Stille durchbrach er plötzlich mit einer Frage nach meiner Uhr, ob es eine… IWC-Uhr sei.

Es war keine IWC(in jenem Moment hatte ich natürlich auch keinen blassen Schimmer, was das genau sein sollte), sondern eine billige Armbanduhr aus dem Discounter. Das wollte ich natürlich auf keinen Fall preisgeben, also verneinte ich knapp. Statt, dass wir es damit darauf beruhen lassen konnten, hakte er völlig unüberzeugt weiter nach und wollte nun wissen, ob ich bloß Tiefstapelei betriebe, denn das Band sei so schön und das Ziffernblatt so schlicht, die Farben so…, es handle sich also sicher um eine sehr edle Uhr – das alles wurde mir zunehmend immer peinlicher, da er sich wirklich nicht davon abbringen ließ, über die Uhr zu plaudern, ich hingegen mittlerweile alles darum gegeben hätte, diese doofe, schöne Uhr, die wohl 7,99€ gekostet haben wird, doch nicht mitgenommen zu haben. Zudem begann ich mich zu fragen, ob das, was ich als Flirt wahrnahm, wirklich mit meiner Aura meinerseits zusammenhängen konnte, oder ob der Herr mit einem etwas fragwürdigen Urteilsvermögen ausgestattet war? Schließlich saß ich dort neben ihm in einem wirklich merkwürdigen Aufzug, was dachte er also, wer ich bin?! Ein Millionärssohn, der sich beim Fliegen für das Tragen mittelmäßiger Zwiebellooks entscheidet?

Ich habe die aufgeworfene Frage dieser Kolumne noch immer nicht beantwortet und ich denke auch, dass ich das nicht abschließend tun kann. Vorerst fallen mir zwei Antworten auf die Frage, ob man als vergebener Mensch auf sein Umfeld interessanter wirkt, ein. Entweder es gibt tatsächlich die ansprechende Aura, mit der Menschen beim Schließen einer Beziehung auf wundersame Weise gesegnet werden, da sich diese nun selbstsicherer geben und Selbstbewusstsein tatsächlich sexy ist, oder aber jetzt, da ich in einer Beziehung bin, fällt es mir erstmals wirklich auf, wenn ich angeflirtet werde?

Ob Selbstbewusstsein Situationen fördert, die einem neues Selbstbewusstsein geben? Ich weiß es nicht. Jedenfalls war ich mir nach dem etwas merkwürdigen Gespräch über Designeruhren nicht mehr ganz so selbstsicher. Als wir gelandet waren, setzte ich meine H&M-Sonnenbrille im RayBan-Design auf und schwang meinen billigen Popsch Richtung Gepäckband. Dort sah ich meinen ehemaligen Sitznachbarn noch ein letztes Mal und er gab mir tatsächlich eine Visitenkarte von sich. Nicht nur, dass mein Selbstbewusstsein wieder halbwegs hergestellt war (vielleicht hält er mich für etwas, was ich nicht bin, aber… ich habe noch nie zuvor eine Visitenkarte bekommen). Mein erster Gedanke also: “Ach, wenn ich single wäre…”. – Einerseits hätte ich es sehr aufregend gefunden, meinen sexy-WU-ler wiederzusehen, andererseits war mir ja gar nicht mehr klar, ob ich als Single diese Visitenkarte überhaupt hätte bekommen können.

Stattdessen: „Wenn ich single wäre,… dann müsste ich mich wahrscheinlich noch häufiger als sowieso schon mit Menschen herumschlagen, die keinen blassen Schimmer davon haben, wer ich bin und wie viel (bzw. wenig) Geld ich für Uhren ausgebe.“ Doch schön, nicht single zu sein.

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