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Vereint unterm Regenbogen

Einmal im Jahr sind sie am Wiener Ring überall zu sehen, die Regenbogenfahnen. An den großen Institutionen der Stadt, an jeder Straßenbahn und am Tag der Parade natürlich gerne als Cape von Paradenbesucher*innen getragen.

Einmal im Jahr trauen sich auch diejenigen, die von sich behaupten, sich nicht in „der Szene“ zu bewegen auf die Straße, um quasi einen politischen Diskurs mitzugestalten. Egal wie man sich mit der Hosi versteht, egal ob man anwesende Parteien und Politiker*innen wählt – an diesem Tag kommen viele, viele Menschen zusammen, um in einer großen Gaudi den Ring zu belagern.

Einmal im Jahr komme auch ich mit Freund*innen zusammen, um mir eine politische Botschaft der Toleranz und Sichtbarkeit auf die Fahne zu schreiben und gemeinsam zu feiern. In diesem Jahr lief die Parade nicht nur im, statt gegen den Uhrzeigersinn den Ring entlang, dank der derzeitig stattfindenden Fußballeuropameisterschaft verlor sie auch den alt angestammten Platz im Rathauspark als Homebase. Stattdessen wurden die Zelte im Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche aufgeschlagen und der Regenbogenpark ab Donnerstagnachmittag eröffnet. Meine Prideweek startet genau dort.

Nach einem ganz OK gelaufenen Referat, dass ich an der Uni halten muss, mache ich mich am späten Donnerstagnachmittag auf zum benachbarten Park und treffe dort Robin. Wir sind der Meinung, dass es der Parade vielleicht ganz gut getan hat auszuweichen. Die Nähe zur Uni bringt einige der Studierenden als neues Publikum mit sich und die Atmosphäre auf der Grünfläche ist… ist Sigmund-Freud-Park eben, alles sehr entspannt! Nur die musikalische Untermalung hätte dem Setting etwas mehr entsprechen können, aber gerade am späteren Freitagabend wird sie richtig gut und Vorfreude auf die Parade liegt in der Luft.

Während ich mich einfach nur treiben lassen mag, sieht es Robin aus seinem Single-Dasein heraus als eine Pflicht an, sich auf queeren Veranstaltungen mit möglichst vielen potenziellen Flirts zu umgeben. Ich finde ja persönlich, dass Paraden nur sehr selten diesen Wünschen entsprechen können, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Als die Parade losgeht, sind wir als etwas größere Gruppe sehr unschlüssig, wie wir genau verfahren sollen. Traditionell gehen wir eher mit dem Grünen-Wagen mit, der ist aber dieses Jahr ganz hinten. Ich argumentiere, dass es etwas leichter ist, sich gegen Ende zurückfallen zu lassen, als dann nochmal einen Versuch zu unternehmen, bis vorne durchzumarschieren. Damit kann ich mich leider nicht ganz durchsetzen, als Kompromiss positionieren wir uns aber okay-weit vorne bei der Gruppe der Villa. Ein wesentlicher Unterschied zu den Vorjahren: Wow, man ist so früh beim Schwedenplatz. Im Vorjahr hatte Robins Gedächtnis dank Alkoholkonsum bereits ausgesetzt.

Ansonsten bleibt sehr vieles beim Alten. Die Stimmung ist ausgelassen, die Teilnehmer*innen vielfältig und die Musik von super(trashig) bis furchtbar(trashig). Diese Einschätzung mag aber auch daran liegen, dass die Schmerzgrenze der verschiedenen Leute sicher sehr unterschiedlich ist. Während ich zu Daylight in your Eyes von den NoAngels mit vor Lachen tränenden Augen mitwippe, muss ich zur Musik von Helene Fischer das Wagenhopping fortsetzen. Wie nicht anders erwartet, zersetzt sich die Gruppe dabei sehr schnell und einzig der Vorsatz, die Kleingruppengröße nicht unter zwei fallen zu lassen, gilt noch.

Mit dem Slogan „Grenzen überwinden“ wurde ein sehr mutiger, sehr politischer Titel gewählt. Es sind jedoch vor allem die Vorfälle von Orlando, die bei dieser Parade am stärksten nachhallen. Neben der Schweigeminute, die sich zu den Klängen von Springsteens Philadelphia in diesem Jahr diesem Thema widmet (Randnotiz: Ich wünsche mir jedes Jahr wieder, sie würden an dieser Stelle das Lied mal ganz ausspielen…), wurde am Eingang des Regenbogenparks eine Fläche zur Blumenniederlegung eingerichtet, zudem kommt kaum ein Wortbeitrag ohne die Erwähnung und Bezugnahmen aus. Bereits im Vorfeld wurde darüber gesprochen, dass gerade in diesem Jahr mit der Teilnahme ein starkes Zeichen gesetzt werde und eine Parade nicht an Wichtigkeit und Relevanz verloren hat. Dafür ließ sich auch Bundeskanzler Christian Kern begeistern und hielt eine vielbeklatschte Rede auf der Abschlusskundgebung. Das ist nicht zuletzt deswegen erfreulich, da es der Parade doch nochmal – anders als in einigen Vorjahren und somit nicht selbstverständlich – den Einzug in einige Zeitungen verschafft hat.

Ein Paradenresümee? Eigentlich alles wie immer und das heißt was Positives. Ein kleiner Höhepunkt ist es, als ich den schmusenden Robin am Wegesrand wiedertreffe. Ich selbst habe keine Handynummer ergattern können, auch gehe ich dieses Jahr nach der Parade alleine nach Hause, aber wer sollte darüber betrübt sein, wenn er/sie ganz viele Bussis bekommen hat, ganz viel ge-free hug-t hat und wirklich viele tolle Menschen hat widersehen dürfen?! Als die vielen Kleingruppen nach und nach im Sigmund-Freud-Park wieder zu einer größeren Gruppe zusammenfinden, wurde nochmal so gesellig, dass man sich wünscht, es gäbe dieses Event mehr als nur einmal im Jahr. Aber dann wäre es vielleicht nicht mehr ganz so besonders. Freut man sich halt darauf, dass es nächstes Jahr wieder soweit ist, wenn es wieder heißt: Einmal im Jahr…

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