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Homophobie

Ein Schlagwort, viele Gesichter, viele Schicksale, viel zu tun. Eine Last, die manchmal erdrückend wirken kann. Wer ist von der Entscheidung wen ich liebe betroffen, solange ich niemandem weh tue?

Was in Orlando in Florida passiert ist, ist eine Schreckensnachricht. Man ist manchmal der Umwelt ohnmächtig ausgeliefert. Auch wenn man versucht nach dem Vorsatz zu leben seinen Mitmenschen möglichst wenig Schaden zuzufügen gibt es keine Garantie, dass andere Menschen nach selbiger Prämisse leben.

Homophobie [und auch Transphobie und weitere „Phobien“ gegen (sexuelle) Minderheiten] tritt (bzw. treten) in unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichem Gewand in Erscheinung.

Eines Abends war ich mit meinem damaligen Partner in seinem Heimatdorf unterwegs und wir setzten uns in ein Eiscafé. Wir hatten eine eher angespannte Diskussion, so wie man sie in Beziehungen manchmal hat – mein Kopf glühte dementsprechend ein wenig von dem ganzen Argumentieren. Das wird der Grund dafür gewesen sein, dass ich nur sehr selektiv wahrnahm, was um mich herum geschah. Das eine Gruppe von Menschen an einem anderen Tisch lauthals über meinen Partner und mich diskutierten erschloss sich mir erst als laut die Worte: „Dass das unnatürlich ist, das werde ich wohl noch sagen dürfen!“, gesprochen wurden. Ich drehte mich kurz hin, schaute dann meinen Freund an und fragte ungläubig: „Der meint aber jetzt nicht ernsthaft uns, oder?!“. Natürlich meinte er uns. Er brüllte und keifte herum, sodass es auch jede*r Besucher*in mitbekommen musste, was los war. Es fielen irgendwelche Aussagen über „Darwin“, allerlei weiteres, konfuses Gerede wurde von sich gegeben und wir entschieden uns das Café zu verlassen. Mein Freund wollte aber sicher nicht völlig kommentarlos gehen und sagte dem Mann im Vorbeigehen, dass ihm eine Prise Toleranz ganz guttäte. Seine Reaktion sah dann so aus, dass er uns hinterherbrüllte: „Passt ihr besser mal auf, dass ihr nicht an Aids sterbt!“.

Ähnlich (auf eine ganz andere Art und Weise) schlimm war für mich leider die Reaktion eines Bekannten, der zugab auch seine Probleme mit gleichgeschlechtlicher Liebe gehabt zu haben. Zumindest bevor man sich damit näher auseinandersetze empfinde man eine gewisse Abneigung gegen homosexuelle Küssende, sich Umarmende, oder Händchenhaltende – so seine Meinung. Das machte mich natürlich wieder wütend. Ich soll also damit klarkommen, dass bestimmte Individuen den Lernprozess „Leben und leben lassen“ nicht hinbekommen haben? Das ist die Ohnmacht von der ich eingangs geschrieben habe. Meine Würde (in der Öffentlichkeit angepöbelt zu werden verletzt diese natürlich) und mein Wohlergehen (psychisch und physisch) muss ich davon abhängig machen, ob irgendjemand es (nicht) schafft persönlichen Frust an anderen Menschen auszulassen, weil er/sie nie gelernt hat eigene irrationalen Ängste zu reflektieren?!

Homophobie in anderem Gewand kann sein: Die Maklerin schaut schockiert zu meinem Freund und mir: „Bei den zwei Zimmern handelt es sich aber nicht um getrennt begehbare WG-Zimmer, die Wohnung ist für Pärchen gedacht.“; Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern hatten sind allgemein von Blut- und Blutplasmaspende ausgeschlossen – ganz gleich ob sie auf Geschlechtskrankheiten negativ getestet sind und in einer monogamen Beziehung leben; ein AFD-Politiker fordert im Magdeburger Landtag Homosexuelle gehören eingesperrt.

Wie entgegnen? Nicht nachgeben! Friedlicher Protest und sachliche Erwiderung erscheint wenig. Man darf jedoch Angst und Hass nicht das Feld überlassen. Jedwede Äußerung und politische Entscheidung anderslebende Menschen unterdrücken zu wollen oder sie ihrer Rechte zu berauben ist inakzeptabel. Selbst wenn eine solche Unterhaltung im Privaten stattfindet, sie ist immer teil eines größeren Ganzen. Lässt man Diskriminierung im Kleinen zu, so öffnet man Tür und Tor für Diskriminierung und Hass im großen Stile. Ich lasse nicht unkommentiert, wenn ich im Café aufgrund meiner Sexualität angefeindet werde. Ich lasse nicht unkommentiert, wenn meine Mitmenschen Bezeichnungen für Minderheiten als Schimpfworte in Sätze einbauen. Ich lasse es auch nicht unkommentiert, wenn man fordert mich aufgrund meiner Sexualität ins Gefängnis zu stecken.

Zum Schluss leicht abgeändert: Was in Orlando, Florida passiert ist, ist eine Schreckensnachricht. Man ist manchmal der Umwelt ohnmächtig ausgeliefert. Man muss trotzdem versuchen nach dem Vorsatz zu leben seinen Mitmenschen möglichst wenig Schaden zuzufügen und selbst wenn es keine Garantie gibt, dass andere Menschen nach selbiger Prämisse leben. Mit gutem Beispiel voran zu gehen erscheint manchmal sehr wenig. Eine Garantie, dass es effektiv hilft Ängste und Hass abzubauen gibt es nicht. Das macht es aber nicht weniger notwendig.

In Gedenken an Opfer in Orlando, an alle Opfer von Gewalt und Ausgrenzung. In Gedanken bei Familien, die damit einhergehende Verluste zu bewältigen haben.

0 Comments

  1. …und das find ich gut und richtig!!! Niemand sollte es unkommentiert lassen, wenn jemand („schwächerem“ -egal in welcher Hinsicht) anderem unrecht getan wird!
    Ich selber bin quasi „Co-Opfer“ von Homophobie gewesen und bin es manchmal noch heute. Mein Bruder ist Homosexuell. Mir war das immer total schnuppe. Wer wen liebt und wer mit wem zusammen sein will interessiert mich nicht, solange diejenigen glücklich sind.
    Unsere Familie ist daran zerbrochen, ich als kleine Schwester mittendrin, weil ich es nicht verstanden habe und weil ich beide Seiten geliebt habe. Von Freunden, Bekannten etc wurde ich als „Schwanz-Lutscher-Schwester“, und ähnlichen „Nettigkeiten“, beschimpft…
    Mich kotzt dieses Homophobie-getue mancher „Heten“ nur noch an! *sorry, musste mal raus 😉 *
    Hab eine schöne Woche
    Lg Anke

    • Vielen Dank für deinen Kommentar! 🙂

      Was du da erzählst tut mir sehr leid. Es ist so traurig, dass eine sexuelle Neigung, etwas das eigentlich sehr persönlich ist, eine Familie entzweien kann. Dass man sich darüber mal auskotzen muss halte ich für sehr verständlich! Ich hoffe dir und deinem Bruder geht es soweit gut!

      Ganz liebe Grüße!!

    • Berechtigte Frage. Das war jetzt eine viel zu lang geratene Sommerpause und ich gelobe Besserung. Ein neuer Beitrag ist jetzt online und es sollen dann auch versuchsweise wieder regelmäßig Texte erscheinen. Vielen Dank für’s Mitlesen und Nachfragen! 🙂

  2. Mein Mann und ich sind bisher von Aktionen und Kommentaren gegen uns verschont geblieben. Seit 9 Jahren wohnen wir in einer Kleinstadt in der Nähe von Hamburg und sind von Nachbarn in unserer Wohnalange und von Einzelhändlern akzeptiert, haben uns in dieser Zeit einen neuen Freundeskreis aufgebaut, alles Heten.
    Sollte sich jemals irgendjemand uns gegenüber – also nicht aus diesem Kreis – negativ äußern, werde ich nicht zögern, entsprechend zu reagieren!

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